Eine Reise nach Kolumbien ist tödlich … für Vorurteile! Ich bin nun bereits seit mehreren Wochen in Medellín, der einst gefährlichsten Stadt der Welt. Wie viel man heute noch davon merkt? Als Tourist wenig bis gar nichts. Medellín präsentiert sich als moderne, überraschend saubere und grüne (wenn auch laute) Großstadt. Noch beeindruckender ist aber die Freundlichkeit und Offenheit der Kolumbianer bzw. der „Paisa“, wie sie sich hier im nordwestlichen Landesteil rund um Medellín nennen.

Comuna 13, Medellin

Doch von diesen Vorzügen bekommt man in Europa offenbar nur wenig mit. In den internationalen Medien wird weiterhin („lieber“) über Drogenkriege, Guerillas und die gerade erst wieder ausgesetzten Friedensverhandlungen berichtet. Von den Bewohnern Medellíns weiß ich aber, dass sie es satt haben, ihre Stadt mit den immer gleichen Klischees und vor allem einem Namen in Verbindung gebracht zu sehen. Einem „berüchtigten Kriminellen“, dessen Name von vielen gar nicht genannt werden will. Der Lord Voldemort Kolumbiens quasi, abgekürzt P.E.

In diesem Beitrag berichte ich stattdessen über 16 typisch kolumbianische Eigenheiten, so wie ich sie hier alltäglich erlebe: in der Sprache, bei bestimmten Redewendungen, beim Essen und Trinken, im Verkehr und Lebensstil der Kolumbianer. Kein Anspruch auf Vollständigkeit! Ich werde die Liste jedoch laufend ergänzen. Insgesamt bin ich drei Monate im Land, davon etwas mehr als einen in Medellín.

Seilbahn in Kolumbien

Was „typisch kolumbianisch“ ist, lässt sich natürlich nicht scharf abgrenzen. Wenn du also bestimmte Eigenheiten auch aus anderen Ländern kennst, lass es mich gerne in deinem Kommentar unter diesem Beitrag wissen.

Los gehts!

Typisch Kolumbien: Redewendungen und kolumbianischer Slang

No dar papaya

Wörtlich übersetzt bedeutet diese Redewendung „Keine Papaya geben“. Damit ist natürlich nicht die Frucht selbst gemeint. Viel mehr ist es ein Ratschlag vor allem an Touristen, die eigenen Wertsachen nicht zur Schau zu stellen oder anders ausgedrückt: Keine Gelegenheit zu geben, ausgeraubt oder bestohlen zu werden. Wenn du also an einer zwielichtigen Straßenecke landest, überleg dir lieber zweimal ob du dein Smartphone aus der Hosentasche oder dem Rucksack holst.

Don't give Papaya - Kolumbien

Qué chévere

Der Ausdruck „qué chévere“ kommt ursprünglich aus der Karibik und ist auch in den nördlichen Ländern Südamerikas weit verbreitet. In Kolumbien hört man ihn tagtäglich. Er bedeutet „wie genial!“ oder „wie cool!“.

Parcero

Als „parcero“ oder manchmal nur „parce“ bezeichnet man in Kolumbien einen Kumpel. Oder auf gut Wienerisch: einen Hawara.

An der Karibikküste ist auch „compay“ eine gern verwendete Kurzform für „compañero“.

Qué más?

Wörtlich übersetzt bedeutet „qué más?“ so viel wie „was sonst noch?“. Man hört es jedoch häufig schon zur Begrüßung und nicht etwa nur, nachdem man im Laden nach zwei Empanadas und fünf Buñuelos verlangt hat. Es meint also viel mehr „wie gehts?“ und ist somit synonym zum geläufigeren „qué tal?“ oder „cómo estás?“.

Ave Maria pues

Wenn du einen Kolumbianer „Ave Maria pues“ ausrufen hörst, kannst du mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass er ein Paisa ist. Je nach Kontext ist es ein Ausdruck der Erleichterung, Bestätigung oder Überraschung.

Qué chimba

Mit diesem Slang-Ausdruck musst du besonders vorsichtig sein, da er sowohl positiv als auch extrem negativ aufgefasst werden kann und eher nur unter Freunden verwendet werden sollte. Auch wenn du ihn auf der Straße sicher des öfteren aufschnappen wirst. „Qué chimba“ beschreibt eine Sache als besonders gut oder schlecht, je nach Kontext. „Chimba“ bezeichnet allerdings auf vulgäre Art auch das weibliche Geschlechtsteil.

Es ist übrigens gut möglich, dass die obigen Redewendungen in anderen spanischsprachigen Ländern abweichende Bedeutungen haben. Denn auch das ist charakteristisch: Das EINE Spanisch gibt es nicht. Sehr schön übrigens auch in dem YouTube-Video „Qué difícil es hablar el español“ auf den Punkt gebracht.

Typisch Kolumbien: Essen und Trinken

Patacones, Papas Rellenas, Empanadas, Buñuelos – Hauptsache frittiert!

Die Kolumbianer lieben in heißem Fett rausgebackene Speisen! Das stellte ich gleich am Morgen nach meiner Ankunft in Medellín fest, als ich rund um mein Hostel nur Frittiertes zum Frühstücken ausfindig machen konnte. Als erstes probierte ich Papas Rellenas, gefüllte Teigtaschen mit Kartoffeln und Huhn oder Gemüse, ähnlich den mir bereits bekannten Empanadas, allerdings in Bällchenform. Nicht zu verwechseln mit Buñuelos, die mit Käse gefüllt sind.

In meiner ersten Woche in der Sprachschule lernte ich, wie man Patacón con hogao zubereitet: Man benötigt dazu eine bestimmte Art von Kochbananen (Plátano verde), sowie Tomaten, Zwiebel und Salz für eine Salsa. Die Kochbananen werden zunächst geschält, frittiert und anschließend mit Hilfe von zwei Schneidbrettern zu einer flachen Scheibenform zerdrückt. Danach kommt die Bananenflade nochmals in die Fritteuse und wird mit der Tomaten-Zwiebel-Salsa als Topping serviert. Muy rico!

Bandeja Paisa

Das Nationalgericht Bandeja Paisa ist wohl die deftigste Speise, die mir in Medellín untergekommen ist: Rindfleisch serviert mit gegrillter Chorizo, Schweineschwarte (Chiccarón), Reis, Spiegelei, gebratener Kochbanane und Avocado. Sie wird in so gut wie jedem kolumbianischen Restaurant angeboten, zumindest in der Paisa-Region, wie der Name vermuten lässt. Bandeja heißt übrigens übersetzt „Platte“. Dazu passt am besten ein Club Colombia (Bier). Prost Mahlzeit!

Michelada

Womit wir bereits bei den Getränken wären: Eine weitere Spezialität ist die sogenannte Michelada, Bier im Glas mit Salzrand und Zitrone. Man presst dazu eine Zitrone aus, tunkt den Glasrand in den Zitronensaft und anschließend in Salz, wodurch dieses am Glas kleben bleibt. Der übrige Zitronensaft wird mitsamt dem Bier eingeschenkt.

Aguardiente

Auf einer kolumbianischen Party darf scheinbar niemals eine Flasche Aguardiente fehlen, ein gar nicht mal so hochprozentiger Anis-Schnaps. Aguardiente lässt sich übrigens am besten mit „Feuerwasser“ (bzw. wörtlich „brennendes Wasser“) übersetzen. Geschmacklich kann man ihn mit dem in Frankreich beliebten Pastis vergleichen.

Tinto

Wichtig zu wissen: Wer in Kolumbien einen Tinto bestellt, erhält nicht etwa einen Rotwein (wie in Argentinien), sondern einen Espresso. Verlangst du hingegen nur nach einem Café, könnte es hingegen sein, dass du ohne weitere Nachfrage einen Kaffee mit Milch erhältst.

Typisch Kolumbien: Verkehr – Segen und Fluch zugleich

Eso es cultura metro

Medellín verfügt über ein ausgezeichnetes öffentliches Verkehrsnetz, um nicht zu sagen: das beste in ganz Südamerika! Die Bewohner der Stadt sind so stolz auf „ihre“ Metro, so dass man hier von einer eigenen „cultura metro“ spricht: Die Hochbahn-Züge, Tram, Busse und Seilbahnen sind stets sauber, kurz getaktet und jede Metro-Station wird zudem polizeilich kontrolliert.

Mit nur einem Metro-Ticket kann man direkt von der Hochbahn in eine der „Metro Cable“ genannten Seilbahnen wechseln. Da die Stadt im Aburrá-Tal immer schneller wächst, werden ärmere Bevölkerungsschichten an den Stadtrand bzw. auf die Hügeln rund um das Tal gedrängt. Genau dort entstanden soziale Brennpunkte und „No-Go“ Zonen, die von bewaffneten Banden kontrolliert wurden, in die sich nicht mal mehr die Polizei hinzugehen traute. Um diese Kommunen zu befrieden und der Bevölkerung eine bessere Anbindung zu ermöglichen, wurden vor 15 Jahren die ersten Seilbahn-Linien in Betrieb genommen und ans Metro-Netz angeschlossen. Einzig die Linie L, die zum Parque Arví führt, gilt als „Touristen-Seilbahn“ und kostet daher extra.

Pico y Placa

Trotz des fortschrittlichen Metro-Systems erstickt Medellín regelrecht im Individualverkehr. Deshalb gibt es zur Hauptverkehrszeit (7-8.30 Uhr und 17.30-19 Uhr) wechselnde Fahrverbote für Privatwagen und Motorräder, abhängig von der letzten Ziffer des Nummernschilds. PKWs dürfen somit an zwei Werktagen pro Woche in dieser Zeit nicht im Stadtgebiet unterwegs sein. Wenn doch, drohen hohe Strafen inkl. Beschlagnahme des Fahrzeugs bis hin zum mehrjährigen (!) Führerscheinentzug im Wiederholungsfall. In Bogotá gibt es ebenfalls eine „Pico y Placa“ Beschränkung, allerdings von Montag bis Freitag von 6-20 Uhr. Andere Städte in Kolumbien haben ähnliche Regelungen.

Verkehr in Medellin

Taxi vs. Uber

Uber ist in Kolumbien offiziell verboten. Trotzdem sind im gesamten Stadtgebiet von Medellín und zu jeder Tageszeit eine ausreichend große Anzahl an Uber-Fahrer unterwegs, so dass du nur selten länger als 5 Minuten auf ein Uber warten musst. Zudem sind Fahrten mit Uber meist bedeutend günstiger (und sicherer), als eine Taxi-Fahrt. Ich habe es selbst erlebt, dass Taxi-Fahrer absichtlich Umwege fahren und sich dann blöd stellen, wenn man sie genervt darauf anspricht.

Das Recht des Stärkeren

Generell scheint im Straßenverkehr in Kolumbien das Recht des Stärkeren zu gelten. Als Fußgänger darfst du dich nicht auf grüne Ampeln und schon gar nicht auf Zebrastreifen verlassen. Auch schwere Unfälle mit Motorrädern stehen leider häufig an der Tagesordnung. Im Vorjahr kam jeden dritten Tag ein Biker ums Leben (allein in Medellín) und auch ich hab zwei Unfälle mit Motos beobachten müssen. Somit wundert es mich mittlerweile nicht mehr, dass sich viele Kolumbianer vor Fahrtantritt bekreuzigen – egal ob im eigenen Auto, wie bei meiner Gastschwester beobachtet, oder beim Einsteigen in den Bus.

Motorradfahrer in Kolumbien

Typisch Kolumbien: Latino-Lifestyle voller Lebensfreude

Wie zu Beginn schon erwähnt, sind die Kolumbianer im allgemeinen sehr aufgeschlossen und kontaktfreudig. Und sie versprühen eine unglaubliche Lebensfreude. Das betrifft nicht nur die jüngere Generation, sondern auch jene, die in den dunklen Zeiten des Landes aufgewachsen ist, in einem Umfeld aus Gewalt und Angst. Der Drogen- und Bürgerkrieg führte dazu, dass Kolumbien mit fast 8 Millionen das Land mit den meisten Binnenflüchtlingen ist, was in etwa einem Sechstel der Gesamtbevölkerung entspricht.

Mir wurde es so erklärt, dass die Kolumbianer dazu tendieren, alles Negative zu verdrängen, und sich stattdessen an den positiven Dingen des Lebens zu erfreuen. Quasi als Selbstschutz, um nicht in einer kollektiven Depression zu versinken. Keine Frage: Dieser Hang zum Verdrängen und Vergessen birgt jedoch auch die Gefahr, dass sich die Geschichte wiederholt. Um genau das zu vermeiden, gibt es Einrichtungen wie das Casa de la Memoria in Medellín.

Wo sich die (wiedergewonnene) Lebensfreude besonders bemerkbar macht? Beim Tanzen natürlich! Latinos scheinen diesbezüglich ja Naturtalente zu sein, gesegnet mit einem Rhythmus- und Körpergefühl, von dem unsereiner nur träumen kann. Und die Kolumbianer bilden da keine Ausnahme. Die Stadt Cali wird nicht umsonst in erster Linie mit Salsa in Verbindung gebracht. Da scheint es schon fast Pflicht, als Gringo seine Defizite aufzuholen und die ein oder andere (gratis) Tanz-Nachhilfe-Stunde zu besuchen, z.B. im Dancefree in Medellín.

(Fortsetzung folgt – para continuar)

Du möchtest wissen, warum ich mehrere Monate in Kolumbien bin und was ich hier genau mache? Dann lies gerne auch meinen Beitrag ¡Adiós Austria, Hola Colombia! – Warum ich zum Spanisch lernen nach Kolumbien reise

Florian Figl

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