Motorradfahren ist eine höchst emotionale Angelegenheit. Für manche ist es ein Lebensgefühl, eng verbunden mit Freiheit, dem Geruch von Benzin und dem satten Sound der Auspuffanlagen. Andere fühlen sich genau dadurch gestört, wie die Debatte rund um Fahrverbote und Lärmbegrenzungen zeigt.

Zeit, (sich) mal am Riemen zu reißen. Und das in mehrfacher Hinsicht, wie ich während meiner „elektrisierenden“ Motorradtour durchs Wald- und Mühlviertel erfahren und mit anderen Motorradfahrern diskutieren darf.

Mit der Zero SR/S auf Motorradtour im Mühlviertel und Waldviertel
Unterwegs mit der Zero SR/S – Fahrspaß pur!

Was macht Motorradfahren aus?

Zwei Räder, Motor, Bremse? Was braucht es schon mehr? Als tendenziell eher pragmatischer Mensch fällt es mir zugegeben schwer zu beschreiben, was genau mich am Motorradfahren, abgesehen von den oft traumhaften Landschaften hierzulande, so begeistert. Ein besonders lauter Auspuff und das Kreischen eines Vierzylinder-Motors im fünfstelligen Drehzahlbereich ist es aber definitiv nicht. Mittlerweile fahre ich hauptsächlich mit Gehörschutz, da mich die Windgeräusche unter dem Helm nerven. Das kommt auch meiner Konzentration auf langen Touren zugute. Da höre ich von Auspuff und Motor also ohnehin fast nichts mehr.

Zero E-Camp Elektro-Motorrad-Tour durch Ober- und Niederösterreich

Wenn ich das faszinierende Gefühl beim Fahren jemandem beschreiben sollte, der selbst noch nie aktiv Motorrad gefahren ist, würde ich es am ehesten mit Skifahren vergleichen. Nur auf Asphalt oder Schotter, statt auf Schnee. Insbesondere auf kurvenreichen Strecken kommt das Umlegen von Links auf Rechts und vice versa dem Carving-Schwung sehr nahe, wie ich finde. Aber genug der seltsamen Vergleiche.

Fakt ist, dass ich seit über drei Jahren einen großen Teil meiner Freizeit im Sattel motorisierter Zweiräder verbringe. 48.000 Kilometer habe ich dabei zurückgelegt. Das sind in meinem Fall mehr als mit dem Auto.

Bis vor kurzem war meine Erfahrung mit Elektromobilität auf herkömmliche E-Bikes beschränkt. Eben auf solche, die hauptsächlich mit Wandeln angetrieben werden und deren E-Unterstützung bei maximal 25 km/h endet. Dass es bergab aber schon mal doppelt so schnell werden kann, durfte ich nicht zuletzt bei unserer Bike & Hike Tour im Montafon erleben.

Zero E-Camp im Motorrad-Hotel Rockenschaub

Meine ersten Eindrücke eines Elektro-Motorrads konnte ich schließlich beim Zero E-Camp im Mühlviertel (Oberösterreich) sammeln. Ich meldete mich im Rahmen eines Gewinnspiels des Motorrad-Magazins dafür an und freute mich über die Einladung, die zwei Wochen zuvor bei mir eintrudelte. Das E-Camp wird von der DACH-Vertriebsniederlassung der kalifornischen Motorradmarke Zero jährlich mit einem halben Dutzend Teilnehmer veranstaltet und bietet aus meiner Sicht die optimale Gelegenheit, Elektro-Motorräder im Touralltag in der Praxis zu testen.

Für Gruppenaufnahmen waren wir natürlich in gemütlichem Tempo unterwegs …

Unser Basislager im Mühlviertel ist das Verwöhnhotel Rockenschaub in Liebenau. Gas(t)geber Franz „Rocky“ Rockenschaub führt das Hotel mit seiner Frau Roswitha seit 1996 als „MoHo“ – Motorrad-Hotel, einer Vereinigung von Hoteliers, die sich speziell dem Thema Motorradfahren und der Zielgruppe Biker verschrieben hat. Er ist nicht nur Gastgeber, Koch und Grillmeister, sondern auch unser Tour-Guide an diesem Wochenende.

Zero E-Camp Motorradtour mit Tourguide Franz "Rocky" Rockenschaub
Unser Gas(t)geber Franz „Rocky“ Rockenschaub

Das Mühlviertel gilt unter Motorradfahrern nachwievor als Geheimtipp, da ihm zwar die hohen Passstraßen und Gebirgspanoramen fehlen, es dafür aber mit einem hügeligen Kurvenlabyrinth auf vielen kleinen Nebenstraßen aufwarten kann, auf denen man es gar nicht vermuten würde. Und das hat schließlich auch seinen Reiz. Das Hotel in der Ortschaft Liebenau liegt auf immerhin 1.000 Meter Seehöhe und befindet sich nur rund 15 Minuten von der tschechischen Grenze entfernt. Auch ins niederösterreichische Waldviertel ist es nur ein Katzensprung, so dass wir an Tag 2 des Zero E-Camps auch dorthin eine Tour unternehmen werden.

Motorradfahren im Mühlviertel

Doch bevor es soweit ist, lernen wir erst einmal einander und auch die Bikes kennen. Da noch niemand von uns zuvor mit einem Elektro-Motorrad gefahren ist, stellen uns Ralf und Aydin von Zero deren Besonderheiten vor: Kein Starter, keine Kupplung, keine Schalthebel. Stattdessen einfach die Zündung anmachen, kurz warten und dann – nichts, bis auf ein leises Surren! Immerhin, ein kleines grünes Schaltkreis-Symbol im Display zeigt an, dass das Motorrad abfahrbereit ist. Wer nun überengagiert am Gasgriff dreht, bekommt je nach Fahrmodi sofort die 190 NM Drehmoment und 110 PS des Elektromotors zu spüren, die ohne Getriebeabstufung auf direktem Wege, über einen Zahnriemen bzw. „am Riemen reißend“, ans Hinterrad geleitet werden. Das sollte man sich vor der Abfahrt also nochmals in Erinnerung rufen. Der Vorteil für alle Besitzer von Zero Elektro-Motorrädern: Weder muss eine Kette geschmiert, noch Motoröl gewechselt werden. Die Wartungsarbeiten halten sich in Grenzen und beschränken sich in der Regel auf Kontrolle bzw. Tausch der Bremsflüssigkeit und -beläge.

Zero Motorcycles SR/F und SR/S Modellpalette am E-Camp in Liebenau
Beim Inspizieren der Bikes erwischt …

Auch interessant: Der riesige Akku des Bikes sitzt gleich hinter dem Vorderrad, dort wo sich also bei einem „normalen“ Motorrad der Verbrennermotor befindet, und wiegt 90 kg. Der Elektromotor selbst ist gleich dahinter, etwa auf Höhe der Fußrasten, aber viel kleiner und wiegt nur 30 kg (bei einem Gesamtgewicht der Bikes von rund 220 kg).

Zero SR/S Motor
Der Motor sitzt direkt im Bereich der Fahrerfußrasten. Davor der deutlich größere Akku-Block. Foto: Florian Figl / Travel Pins

Mit der Zero SR/S und Zero SR/F stehen zwei optisch unterschiedliche Konzepte vor uns, eine verkleidete Touren-Maschine (SR/S) und das Naked Bike-Modell SR/F. Motorisch sind sie zwar gleich und je nach Ausstattungslinie auch noch mit Tempomat, sowie Griffheizung ausgestattet, aber in Puncto Fahrverhalten doch sehr unterschiedlich: Während sich die „nackte“ SR/F sehr agil in die Kurven legen lässt, vermittelt die verkleidete SR/S einen etwas stabileren Eindruck, was das Treffen und Halten der Fahrlinie in Kurven betrifft.

Zero SR/F Naked Bike
„Kurvenräubern“ mit der nackten SR/F von Zero
Zero SR/S Touren-Bike
Höheren Tourenkomfort verspricht die SR/S, auch wenn der Kniewinkel bei meinen langen Beinen immer noch recht spitz aussieht

Erwartungsgemäß bietet die SR/S dank Verkleidung und Windschild auch den besseren Wetterschutz, wie wir bei einem kurzen Regenguss erfahren sollten. Auch die Sitzposition kam mir als großen Fahrer auf der SR/S etwas mehr entgegen. Ansonsten nehmen sich die beiden Bikes aber nicht viel.

„Sag mir wie weit, wie weit, wie weit, wie weit willst du gehen?“ – MIA. – Hungriges Herz

Hellhörig werden wir bei der Antwort auf die Frage, welche Reichweiten denn mit den Elektro-Motorrädern realistisch sind: etwa 200 Kilometer, je nach Fahrweise, bei etwas forscherer Gashand sollen es zumindest zwischen 130-150 Kilometer sein, wobei auch schon über 320 Kilometer erzielbar sein sollen, wenn man sich entsprechend auf die Besonderheiten der Bikes einstellt. Das bedeutet in erster Linie: vorausschauendes Fahren und die (einstellbare!) Motorbremse zur Rekuperation nutzen. Dann sollen auch 300 Kilometer und mehr machbar sein. Wenn doch der Saft ausgeht, so lädt der Akku mit 3 oder 6 kW Ladeleistung (Standard-/Premium-Modell) in 2 oder 4 Stunden zu 95% voll. Mit Schnelllader sinds 60-80 Minuten. Weitere technische Daten kann man auf der Zero-Webseite nachlesen.

Zero E-Camp Laden der E-Motorräder
Foto: Florian Figl / Travel Pins

Soweit die Theorie. In der Praxis ist es so, dass wir mit vollem Akku am zweiten Tag starten und nach 130 Kilometer eine geplante Lade- und Mittagspause einlegen. Das Display zeigt mir noch knapp 40% Restakku an, bei den anderen Bikes sind es teilweise noch über 50%. Da wir als Gruppe über einen Starkstromverteiler laden mussten, konnten wir in der fast zweistündigen Pause um knapp 20% aufladen, was aber immer noch genug war, um die verbleibenden 70 Kilometer zurück ins Hotel locker zu schaffen.

Zero E-Camp auf der Speckalm Ladestation
„Ladestation“ an der Speckalm, wo wir ausgezeichnet bewirtet wurden.
Zero E-Camp auf der Speckalm
Nicht nur die E-Motorräder tanken zwischendurch Energie auf … Foto: Florian Figl / Travel Pins
Zero E-Camp Ladepause auf der Speckalm
Foto: Florian Figl / Travel Pins

„Fun“ Fact: Da der Geschirrspüler der Speckalm am selben Starkstromkreis hing, wie der Verteiler für unsere Ladegeräte, musste das Personal in der Zeit mit der Hand abwaschen … sorry!

Unsere Route durchs Mühl- und Waldviertel

Wer die äußerst lohnenswerte Motorradtour durchs oberösterreichische Mühlviertel und angrenzende Waldviertel in Niederösterreich nachfahren möchte, startet beim MoHo Rockenschaub in Liebenau (A). Hier gibt es übrigens auch Leihmotorräder der Marken Zero, BMW und KTM. 

Die Route führte uns zunächst in südöstliche Richtung, über Arbesbach (B) und Ulrichschlag (C) nach Maria Taferl (D), wo einige schöne Kurve mit Blick auf die Wallfahrtskirche und hinunter zur Donau warten. Dem Donauufer wieder in westliche Richtung folgend, gelangen wir nach Isperdorf, wo wir einen Abstecher hinauf nach Nöchling und über Sarmingstein (E) Richtung Dimbach unternehmen. Die besonders kurvenreiche Strecke Dimbach-Grein (F) zählt bei den Motorradfahrern zu den vielbefahrensten der Region, entsprechend sollte man sich hier an das Tempo-70-Limit einigermaßen halten, wenn einem der Führerschein und – noch wichtiger – das eigene Leben – lieb sind. In Grein fahren wir dann noch ein kurzes Stück der Donau entlang, bevor wir zum Mittagessen auf die Speckalm (G) abbiegen. Retour geht es über St. Thomas am Blasenstein, Bad Zell (H), vorbei an Gutau und auf kurvenreicher Strecke nach St. Leonhard (I), sowie von dort aus weiter nach Liebenau.

„Die fliegenden Holländer kommen“ – dachten sich wohl einige Unbeteiligte am Straßenrand, als sie uns beinahe lautlos vorbeiflitzen sahen, mit den auf die Europazentrale von Zero zugelassenen Motorrädern.

Mein Fazit zur Motorradtour mit den Zero E-Motorrädern

So, und wie fährt sich so ein Elektro-Motorrad jetzt eigentlich? Mal abgesehen vom ungewohnten Startprozedere und der fehlenden Kupplung bzw. Getriebeübersetzung erstaunlich ähnlich, wie ein Motorrad mit Verbrennermotor. Auch hier vermisse ich absolut nix: Es gibt nämlich kein „untertouriges“ dahin stottern, weil die Automatik den falschen Gang erwischt hat oder eine zu geringe Motorbremswirkung (die wie gesagt voll einstellbar ist, z.B. vereinfacht über die Fahrmodi) vorm Ortsschild oder der nächsten Kurve. Stattdessen kann man sich voll und ganz aufs Fahren selbst kontrollieren: Gas anlegen, vor der Kurve schließen, gegebenenfalls bremsen, und das Motorrad in die Kurve drücken oder legen, mit Gas wieder aus der Kurve rausziehen und Spaß haben. Das alles klappt ganz wunderbar und angenehm leise. Und das mit Drehmoment „ohne Ende“, vom Stand weg, was bei allen Teilnehmern für Faszination und ein Lächeln unterm Helm sorgt.

Zero E-Camp Tour im Waldviertel

Würde ich mir also selbst ein E-Motorrad kaufen? Als Zweitbike absolut, wobei mir aktuell noch die Lademöglichkeit in der gemieteten Garage (kein Stromanschluss) fehlt, aber auch das ließe sich ändern. Sollten in ein paar Jahren nur noch Fahrzeuge ohne Verbrennermotor im öffentlichen Straßenverkehr erlaubt sein, gehe ich davon aus, dass bis dahin die Themen Ladeinfrastruktur, Akkureichweite und -langlebigkeit (bzw. im Sinne der Nachhaltigkeit auch in Form eines „Zweiten Lebens“ als Pufferspeicher in Smart Homes), sowie weitere Antriebs- und Kraftstoffkonzepte zum Positiven weiterentwickeln und auch für eine Bereicherung in Sachen Motorradfahren sorgen. Wenn wir uns also in der mitunter hitzig geführten Debatte über (E-)Mobilität alle mal ein bisschen am Riemen reißen, so sehe ich der Zukunft gelassen entgegen 🙂 Möge sie eine Lebenswerte für alle (Verkehrs-)Teilnehmer sein.

Zero E-Camp Florian Figl

P.S. Und mein Fazit zum Mühlviertel: Sicherlich eines der unterschätzten Gebiete unter Motorradfahrern in Österreich. Hier gibts so viele feine Strecken, Kurven, Hügeln, mit teils schmalen, gewundenen Nebenstraße, da reicht ein Wochenende bei weitem nicht aus, um die Highlights allesamt zu erkunden. Ich komme gerne wieder!

Photo Credits: Volker Rost für Zero Motorcycles (sofern nicht anders angegeben & ausgenommen Selfie)

Florian Figl

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