Kolumbiens Karibikküste lockt mit ganzjährig warmen Temperaturen und traumhaften Stränden nicht nur Sonnenanbeter und Partypeople an, sondern auch immer mehr Naturliebhaber und Abenteuerlustige: Zwischen dem Delta des Río Magdalena östlich von Barranquilla und der trockenen Guajira-Wüste an der nördlichsten Spitze des Kontinents ragt die Sierra Nevada de Santa Marta als größtes Küstengebirge der Welt über 5700 Meter in die Höhe. Mittendrin in dieser vielfältigen Natur befindet sich die Ciudad Perdida, die „verlorene Stadt“ indigener Kulturen, für die auch ich mich auf den Weg in die nahegelegene Hafenstadt Santa Marta mache.
Doch bevor ich gemeinsam mit Kathi, einer Freundin aus Österreich, und einigen weiteren Backpackern zur 4-tägigen Dschungel-Wanderung aufbreche, nutze ich das verbleibende Wochenende, um die Küstenstraße entlang des Tayrona Nationalparks mit dem Motorrad zu erkunden. Eingeladen und begleitet dazu werden wir von Adrien, einem Franzosen, der in Santa Marta Colombian Riders gegründet hat und (kombinierte) Motorradtouren und -verleih anbietet. So stehen „Moto & Surf“ Touren genauso am Programm, wie Kombinationen mit Tauchgängen, Reitausflügen (mit „1 PS“), Camping oder einfachen Wanderungen zu Wasserfällen. Motorrad-Puristen schnappen sich eines seiner Leihmotorräder und brechen zu einer mehrtägigen Tour auf, die sie wahlweise bis nach La Guajira führt. Ein Roadbook samt Karte und Routentipps gibts von Adrien mit dazu.
Seine Garage bzw. das Haus, in dem er auch selbst wohnt, befindet sich übrigens etwas östlich vom Stadtzentrum und zufällig in Gehweite unseres Hostels. Dort angekommen werden wir freundlich begrüßt und planen gemeinsam anhand einer großen Wandkarte erstmal grob die Tour. Danach schnappen wir uns Helme und Handschuhe, bevor wir auch noch einige Bikes durchprobieren. Die meisten sind leichte Enduro-Bikes mit 125 bis 250 ccm, jedoch mit unterschiedlicher Sitzhöhe. Die Motorräder und die Schutzausrüstung sind in einem allgemein recht guten Zustand, so dass wir uns mit einem einigermaßen sicheren Gefühl in den wuseligen Stadtverkehr Santa Martas wagen, immer unserem Guide hinterher.
Wer noch nie auf Kolumbiens Straßen unterwegs war, der sei an dieser Stelle aber gewarnt, dass Motorradfahren dort nur wenig mit dem zu tun hat, was wir in Österreich oder Deutschland darunter verstehen. Statt den üblichen Verkehrsregeln gilt das Recht des Stärkeren, womit Motorradfahrer meist automatisch das Nachsehen haben. Überholt wird links und rechts, zwischen den eigentlichen Fahrspuren. Und das nicht nur im Stau. Einige Motorradfahrer sind zudem ohne Helm unterwegs und transportieren gerne mal ihre gesamte Familie samt Baby am Arm. In den Städten mit dem Motorrad zu fahren ist für mich jedenfalls kein Genuss. Umso mehr freue ich mich, als wir Santa Marta nach einer guten halben Stunde endlich hinter uns lassen. Der Verkehr entlang der Küstenstraße bleibt jedoch dicht.
Ab ins Gelände
Nach einer Weile hält Adrien an. „Wollt ihr auch ein bisserl off-road fahren? Ich kenne da eine Abkürzung“, ruft er uns sinngemäß auf Englisch zu. Ich nicke, Kathi am Sozius hat sowieso keine andere Wahl. Kurz darauf biegen wir rechts von der Hauptstraße auf eine staubige Piste ab, die zunächst noch an einigen Häusern vorbeiführt und schon bald über „Stock und Stein“ immer holpriger wird.
Wir sind jedoch keineswegs die einzigen Motorradfahrer, die hier unterwegs sind. Während ich mich auf die „Straße“ vor mir konzentriere, überholen mich links und rechts Einheimische auf ihren weit weniger Enduro-mäßigen Bikes und Rollern. Auch den Anschluss an Adrien verliere ich zwischenzeitlich. An einer Straßensperre hole ich ihn schließlich wieder ein. Kinder haben hier ein Seil über die gesamte Fahrbahnbreite gespannt und lassen uns erst gegen ein wenig Kleingeld durch. „Da kommen noch mehrere“, meint Adrien und zahlt für uns mit. Nach einer etwas steileren Downhill-Passage mit dosiertem Einsatz der Hinterradbremse landen wir schließlich wieder auf der asphaltierten Straße, die uns entlang des Tayrona Nationalparks zu unserem ersten Zwischenstopp bringt.
Playa Los Angeles und Río Piedras
Unmittelbar nach der Brücke über den Río Piedras biegen wir links auf einen schmalen Zufahrtsweg zum Playa Los Angeles. Wir parken neben einem kleinen Campingplatz, von wo aus es nur noch wenige Schritte zum Strand sind. Hier hat Adrien auch ein kleines Lager mit Surfboards eingerichtet. Gespannt halten wir Ausschau nach den Wellen, die auf uns zurollen, unter lautem Getöse brechen und weiße Schaumkronen am Meer bilden. „Sie sind zu stark, das wir heute leider nichts mit Surfen“, meint Adrien enttäuscht, der sich sichtlich selbst darauf gefreut hätte, ins Meer raus zu paddeln.
„Kommt mit, ich zeig euch was!“. Kathi und ich folgen Adrien zu einem versteckten Eingang, der durch einen Zaun zu einem Weg um den östlich gelegenen Hügel und zu einem weiteren, kleineren Strand führt, an dem auch der Río Piedras ins Meer mündet.
Ein Schild warnt vor einem Flusskrokodil. „Keine Angst, das gibt es hier nicht mehr. Einheimische haben das Krokodil gejagt und getötet, nachdem es einem Schwimmer ins Bein gebissen hat“, versucht uns Adrien zu beruhigen.
„Von dem Felsen könnt ihr direkt in den Fluss springen. Schaut nur, dass ihr weit genug nach vorne springt, dort ist das Wasser tiefer!“ Skeptisch sehen Kathi und ich uns an. „Du zuerst!“, fordere ich Adrien auf. Und auch Kathi lässt sich schließlich nicht lange bitten …
Der Strand ist hier nur weniger Meter breit. Auf der einen Seite der immer flacher werdende Fluss, auf der anderen das Salzwasser.
Ein lässiger Ort, den wir ohne Adriens Hilfe wohl nicht so leicht gefunden hätten.
Wasserfall am Río Mendihuaca
Weiter gehts zu einem Wasserfall, für den wir abermals die Hauptstraße verlassen, Wegegeld bezahlen und ein etwas steileres off-road Stück fahren müssen. Mit den Helmen unterm Arm klettern wir einen Pfad zu einem fast ausgetrockneten Flussbett ab.
Erst einige hundert Meter „flussaufwärts“ hören wir Wassergeplätscher und einige spielende Kinder, die mit ihren Familien wohl gerade ein Picknick machen. Adrien hat zwei Schnorchel und Taucherbrillen für uns dabei. Die wollen wir natürlich gleich ausprobieren und da wir unsere Badesachen vom vorherigen Stopp noch anhatten, gehen wir auch gleich ins überraschend kalte (und trübe) Wasser und schnorcheln zu den Wasserfällen, ohne dabei aber wirklich viel zu sehen. Auch diesen Ort hätten wir ohne Adrien wohl niemals entdeckt!
„Was wollt ihr als nächstes machen?“, fragt Adrien. „Noch einen Wasserfall oder Strand?“ Am liebsten beides, natürlich!
Quebrada Valencia
Zurück auf der Küstenstraße fahren wir weiter Richtung Westen und parken neben einem Laden direkt am Straßenrand. Gegen eine kleine Gebühr können wir dort auch unsere Helme verwahren und wandern einen schmalen Pfad neben einer Brücke hinab in ein weiteres ausgetrocknetes Flussbett.
Schon seit Monaten hat es hier nicht mehr richtig geregnet, wie uns Adrien erklärt. „Ich bin mir nicht sicher, ob wir überhaupt viel vom Wasserfall sehen werden“, zweifelt er. Nach gut zwei Kilometern in der Valencia-Schlucht kommen wir schließlich zu einem mit seichtem Wasser gefüllten Becken, das sich aus einem Rinnsal speist. Fast schon ein trauriger Anblick.
Adrien holt sein Smartphone aus der Tasche und googlet nach der Quebrada Valencia, um uns Bilder zu zeigen, auf denen man sieht, wie der Wasserfall „normalerweise“ aussieht, wenn er sich kaskadenartig die jetzt trockenen Felsen vor uns herabstürzt.
Costeño Beach
Bevor wir uns langsam auf den Rückweg nach Santa Marta begeben, machen wir mit den Motorrädern noch einen kleinen Umweg in Richtung Costeño Beach. Hier reihen sich einige nette Strandho(s)tels mit teils privaten Meerzugängen aneinander.
Direkt neben der Flussmündung des Rio Mendihuaca gibts jedoch auch einen öffentlichen Strand, auf dem wir uns gemütlich in den Sand chillen.
Während bereits die Abenddämmerung einsetzt, schauen wir schließlich noch einigen Surfern dabei zu, wie sie die ein oder andere Welle reiten. Auch wenn wir selbst nicht mehr zum Surfen gekommen sind, war der Tag mit Adrien von Colombian Riders alles in allem eine großartige Erfahrung, die wir nicht missen möchten.
Vielen Dank für die Einladung und ride safe! Wer die Tour nachreisen möchte, findet hier meinen GPS-Track auf Riser.
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