Wüstentouren, Wandern, Kamelreiten und exzessiv auf den Märkten shoppen – das sind Dinge, die man als normaler Urlauber in Marokko gemacht haben muss, oder? Dass man Marrakesch auch von einer ganz anderen, aber sehr authentischen Seite kennenlernen kann, zeige ich dir hier. Lass dich mitnehmen auf eine verrückte, kreative Auszeit, ein, zwei Tee und verdammt gutes Essen.
Nachdem ich erst eineinhalb Stunden vor Abflug wusste, dass ich nach Marokko statt China fliegen würde, war ich schlecht auf mein Reiseziel vorbereitet. Auch der Ticketkauf verlief nicht ganz reibungslos, deshalb war alles, was ich vor Abflug noch organisieren konnte, die Unterkunft. Was mich neben der passenden Abflugszeit und der Aussicht auf etwas wärmere Temperaturen Anfang Dezember aber noch mehr angesprochen hat, war mein Bild im Kopf über das Kunsthandwerk. Auf den Märkten gibt es eine unglaubliche Auswahl an Messinglampen, Schnitzereien, Malereien, Teppichen, Töpferei etc.
Ganz ehrlich: Shoppen und Handeln ist definitiv nicht meines. Auch die endlose Anzahl an verschlungenen Gassen verwirrt mich mehr, als dass es mich in Kauflaune bringt.
Ich schaue gerne, aber am liebsten mache ich es selbst. Auch wenn die meisten Touristen sich hier eher dem Kaufrausch hingeben und oft seltsame Gebilde aus bunten Tüchern um Hüften und Kopf geschlungen haben. Trotzdem gibt es ein ziemlich großes Angebot an Kunsthandwerkskursen und -workshops. Viel davon wirst du auf online finden – von Schmuck über Keramik bis zur Arganölherstellung kannst du alles machen.
Ziemlich gut, um einen Überblick über das Angebot zu bekommen, aber die Preise sind doch relativ hoch. Außerdem schien bei mir alles wie verhext zu sein, ich konnte über keine einzige Plattform etwas buchen, nicht mal der Telefonsupport konnte mir helfen. Mamma mia, was für ein Start. „Tief durchatmen und erstmal einen Kaffee trinken, dann schaut die Welt schon wieder anders aus.“
Ein Hoch auf die marokkanische Gastfreundschaft – in dem ersten Café um die Ecke gibt mir Raduan, ein Kellner, viele Tipps für Aktivitäten und schlägt vor, mir in seiner Mittagspause den neuen Teil der Stadt zu zeigen.
Spontane Stadtführung mit Raduan
Raduan kennt sich unglaublich gut mit den Sehenswürdigkeiten in Marrakesch aus und erzählt auch viel von der Geschichte Marokkos und dem alltäglichen Leben hier, während seiner spontanen Stadtführung.
Von ihm bekomme ich unter anderem den Tipp, mir den „Jardin Secret“ in der Altstadt Medina anzusehen. Der Eintritt kostet 6,5 Euro, aber der Garten und die aufwendig dekorierten Höfe sind das Geld auf jeden Fall wert.
Wir schlendern aus der Altstadt raus und ich bin irgendwie sehr erleichtert, auf einer breiteren Straße zu stehen und mich nicht mehr so eingeengt und orientierungslos zu fühlen. Einen kurzen Sprung schauen noch durch den Arsat mouly abdeasalam Garten/Park, danach gehe ich alleine weiter in den neueren Stadtteil Gueliz.
Ein komplett anderes Bild wie in der Altstadt, inklusive McDonalds, Zara und jeder Menge für marokkanische Verhältnisse sehr teure Restaurants. Ein guter Tipp: sobald du in eine Seitenstraße abbiegst, fallen die Preise stark ab.
Als ich eines Abends mit Hassan aus dem Hostel, der unbedingt eine Gemüsesuppe essen wollte, losziehe, zahlen wir ganze 4 Dirham. An der Hauptstraße kostet ein ähnliches Gericht etwa 50 Dirham. Ein weiterer Tipp von Raduan ist die Rooftop Bar vom Hotel „La Renaissance“ an der Hauptstraße. Hier kommst du ohne zu bezahlen hoch und hast einen traumhaften Ausblick auf die Stadt.
Außerdem kommt man in Marrakesch kaum am Djemaa el Fna Platz vorbei, dem zentralen Marktplatz bei dem man bei absoluter Reizüberflutung aller Sinne sowohl Schlangenbeschwörern als auch Affendompteuren zusehen kann. Eine absolute Abzocke, meinen alle Marokkaner – bloß kein Foto von oder mit den Tieren machen!
Marokkanisch Kochen mit Hassan
Mit meiner Unterkunft im Rooftop Hostel habe ich für 10 Euro wahrlich Glück gehabt. Hier arbeiten 2x Hassan, Ali und Muhammad, die aufgrund der Nebensaison – oder weil sie zu viert sind – viel Zeit für die Gäste haben. Als sie hören, dass das mit den Kochkursen nicht geklappt hat und die außerdem recht teuer sind („Würdest du wirklich 35 Euro dafür zahlen?“), meint Hassan: „Lass uns doch gemeinsam kochen! Ich kann dir zeigen, was meine Mutter und mein Bruder mir beigebracht haben! Mittlerweile koche ich außerdem besser als sie, weil ich nicht alles in Öl ertränke. Ich habe das schon oft mit Gästen gemacht – die waren alle begeistert!“
Wow, nicht schlecht! Hassan schlägt vor Tajin zu machen. Tajin ist eine Art Eintopf, den man in allen möglichen Variationen zubereiten kann. Zuerst röstet man Zwiebeln mit Öl in einer Pfanne (traditionell eine Art Keramikschale) an und gibt unterschiedliches Fleisch dazu.
Wir haben Hühnerfleisch mit Zitronensaft, frischen Kräutern, Öl und marokkanischem Gewürzmix (in unserem Fall schmeckte das ein bisschen wie Paprikapulver) mariniert und dann zu den Zwiebeln gegeben. Darauf kamen dann noch in feine Scheiben geschnittene Kartoffel, Karotten und Zucchini. Dann deckten wir alles mit dem kegelförmigen Hütchen ab und warteten.
Ziemlich lange. Hassan und ich waren schon so hungrig, dass wir zuerst sogar noch Wraps mit Käse und Avocado machten. Aber anscheinend muss das Gemüse wirklich sehr weich gekocht werden. Mehrmals dachte ich: „So, jetzt ist es aber fertig!“ – aber nein. Als wirklich alles weich gedünstet war, kamen noch Fisolen und grüner Paprika drauf. Nochmal warten. Dafür schmeckte es umso besser, als wir uns endlich an den Tisch setzten und mit dem Brot in der Hand kleine Portionen aus der Schüssel schnappten. Achtung: Essen sollte man mit der rechten Hand, nur die gilt als sauber!
Besonders Ali freut sich, denn wir hatten am Boden richtig viel angebrannt: „Carbon ist gut für den Körper!“, meint er und kratzt alles ab, was sich mit dem Messer runterholen lässt.
Falls du in einer anderen Unterkunft bist, kannst du natürlich auch Kochkurse buchen. Diese kosten zwischen 25 bis 120 Euro für meist 2-6 Stunden und sind durch die Bank sehr gut auf Tripadvisor bewertet. Es gibt auch viele Privatpersonen und Familien, die Kurse anbieten und die meisten Teilnehmer hatten eine sehr authentische Erfahrung.
Schnitzen mit Hussain
Manchmal habe ich schon ziemlich viel Glück – vielleicht als Ausgleich zur missglückten Chinareise? Wie auch immer, bei der Schlenderei durch die Altstadt kam ich bei einem Laden vorbei, in dem einige Tischler und Schnitzer arbeiteten. Khalid spricht gutes Englisch und meinte gleich: „Sicher können wir dir einen Kurs anbieten! Komm morgen um 11 vorbei und Hussain wird dir alles zeigen.“
Wie abgemacht bin ich am nächsten Tag hin und habe mich tatsächlich nur minimal verlaufen. Hussain ist 76 Jahre alt und spricht kein Englisch, nur Arabisch und Französisch. Aber mit Händen und Füßen zu kommunizieren reichte und zur Not konnte auch Khalid einige Dinge übersetzen. Er war gerade dabei zwei dekorative, rechteckige Stücke mit Schnörkeln zu fertigen und ließ mich zuerst die typischen kleinen Löcher mit einem kleinen Stäbchen und einem Holzstück als Hammer klopfen. Da konnte ich nicht so viel falsch machen.
Danach bekam ich ein schmales Brett mit vorgezeichnetem Muster, bei dem ich zuerst die Linien stanzen und dann die tieferen Stellen rausnehmen musste. Was mir nicht leicht viel, besonders die Einkerbungen auf den Schnörkeln. Ich denke Hussain musste nicht mal richtig hinsehen, um diese perfekt aus dem Holz zu klopfen. Bei mir hingegen schien es wie verhext zu sein, ständig splitterten Teile vom Holz ab, die ich eigentlich nicht abklopfen wollte.
„Pass auf deine Finger auf“, sagte Khalid. Auch Jamal, der Besitzer des Ladens kam hin und wieder vorbei und erklärte mir mit Händen und Füßen, dass ich nicht so ein schnelles „Toktoktok“, sondern „TOK-TOK-TOK“ machen sollte. Mit soviel Hilfe klappte es am Ende doch recht gut. Hussain jedenfalls war zufrieden. Khalid organisierte mir gleich ein neues Stück Holz mit Schablone, dass ich völlig ohne Zeitgefühl bearbeitete.
Aus den zuerst geplanten zwei Stunden wurden schließlich drei. Gemeinsam mit Khalid machte ich eine kurze Mittagspause und wir bestellten bei einem anderen Laden Essen, das uns mit dem Tablett gebracht wurde.
Mein Respekt für die Künstler, die die unglaublich aufwändigen Holzelemente in Häusern oder ganze Türen herstellen, ist jedenfalls groß. Dahinter steckt nicht nur jede Menge handwerkliches Geschick, sondern auch irrsinnig viel Arbeit.
Khalid zeigte mir noch einige andere Werkstätten auf der anderen Seite der Gasse und vermittelte mich an die Handwerker dort weiter. Diese waren unter anderem mit der Bearbeitung von Messing, Holzmalerei und Schuhmachen beschäftigt. Den Holzmaler schätzte er als geeignetsten Lehrmeister ein und schon hatte ich eine neue Aufgabe.
Holzmalerei mit Nisar
Nisar ist jene Sorte Mensch, die nicht stillsitzen kann.Sständig wuselte er mal hier, mal dort herum. Aber er nahm sich die Zeit mir kurz zu erklären, wie die Holzmalerei funktioniert.
Zuerst gab er mir ein schwarzes Brett, dass er mit einem Schwamm befeuchtete. Dann wurde eine Schablone draufgelegt und mit einem weißen Puder bestäubt.
So konnte man danach das Muster erkennen und mit Holzfarbe nachmalen. Er stellte mir ein Modell hin mit einem ähnlichen Muster und zeigte mir die Technik mit dem Pinsel. Ein paar kurze, schwungvolle Striche und schon war das Muster fertig. So schnell, dass ich mit dem Schauen fast nicht nachkam.
Schließlich war ich an der Reihe und kopierte zuerst mehr oder weniger, was er mir zeigte. Zuerst die Schnörkel, Blätter und Blumen in unterschiedlichen Farben. Dann noch Umrandungen in Rot und Weiß und weiße Akzente auf die Formen. Zum Schluss kamen noch dekorative Punkte rundherum.
Danach bekam ich ein zweites Design, bei dem ich mich kreativer austobte. Wie schon mein Schnitzwerk, durfte ich auch das Brett mitnehmen. Keine Ahnung, wie ich das in das Handgepäck quetschen soll, aber irgendwie wird es schon gehen!
Tadelakt mit Khalid
Khalid machte mir gleich mehrere Vorschläge für meine verbleibenden Tage in Marrakesch. Alles geht sich natürlich nicht aus, aber den traditionellen Wandverputz will er mir auf jeden Fall zeigen. Inklusive Frühstück und Mittagessen bei seiner Familie, etwas außerhalb von Marrakesch. Über diese Einladung freute ich mich wirklich sehr.
Seine Frau Myriam und seine beiden Töchter Aisha und Sara waren bereits und decken den Tisch. Wow, was für ein Essen, richtig gut. Omelett und frisch gebackenes Harcha-Brot, Käse, Oliven, Öl und natürlich Tee. Hier gilt: Ein Stück vom Brot abreißen und damit sämtliche andere Speisen auf dem Tisch schnappen. Danach geht es an den Wandverputz. Khalid vermischt Kalk mit Wasser und fügt einmal gelbes und einmal schwarzes Pigment dazu.
Zuerst wird ein Kalk-Wasser-Gemisch auf die nasse und raue Wand aufgetragen.
Später muss man diese Stelle polieren. Khalid verwendet zuerst ein Holzstück und danach einen Stein.
Ganz am Ende wird eine glänzende Seife bzw. Wachs aufgetragen und der Verputz damit wasserfest. Das können wir leider nicht mehr machen, weil es zu lange dauert, bis der Verputz trocknet.
Hostel bemalen mit Mustafa und Matthias
Einer der Hassans aus dem Rooftop Hostel ist sehr gut mit Mustafa befreundet. Mustafa hat vor einer Woche sein „Castaway Hostel“ eröffnet. Übrigens auch ein guter Tipp für eine Übernachtung, denn die Lage ist absolut zentral in der Altstadt, aber doch viel ruhiger als das Rooftop Hostel. Außerdem gibt es auch hier eine geniale Dachterrasse. Mit Matthias aus Deutschland begleiten wir Mustafa, der uns nicht nur sein Hostel zeigt, sondern am Weg dorthin auch einige Sehenswürdigkeiten.
Es ist wirklich toll eingerichtet, sogar Rosenblüten hat Mustafa auf die Betten gelegt, allerdings nur im Sechsbettzimmer. Wir gönnen uns ein Bier auf der Dachterrasse, reden über Gott und die Welt, bis uns Mustafa anbietet, die Wand der Dachterrasse zu bemalen. Schnell einigen wir uns auf den Schriftzug „Castaway Hostel“ und den Ball „Wilson“ aus dem Film Castaway mit Tom Hanks. Und ein Kamel durfte auch nicht fehlen.
Tom Hanks erschafft sich im Film Gesellschaft mit dem Volleyball Wilson, dem er mit Blut ein Gesicht verpasst. Mit Wachsmalstift und Feuerzeug kriegen wir das sogar recht überzeugend hin. Was für ein Abend. Hätte mir jemand beim Abflug erzählt, was ich so in Marrakesch erleben würde – das hätte ich definitiv nicht geglaubt.
Ich habe selten so viel Gastfreundlichkeit erlebt wie in Marrakesch. Auch wenn auf den Märkten Touristen immer abgezockt werden, für keine Einladung wurde Geld verlangt. Auch für die Stadtführung nicht. Matthias aus Deutschland machte eine ähnliche Erfahrung – ihm wurde die Stadt von einem marokkanischen Lehrer gezeigt, den er zufällig getroffen hatte. Der führte ihn zwar am Ende in einen Laden wo er etwas kaufen sollte, aber für die Führung verlangte auch er nichts.
Ich denke auch, dass es sehr gut möglich ist, einfach Handwerker zu fragen, ob sie Kurse anbieten. Was ich dazu sagen muss: Wie Khalid, Nasir und Hussain machen die das eventuell nicht standardmäßig und nehmen sich vielleicht auch nicht so viel Zeit etwas zu erklären, bzw. können kein Englisch. Wahrscheinlich haben sie mit 100 Dirham pro Stunde einen für marokkanische Verhältnisse auch sehr hohen Preis verlangt, der aber trotzdem nur etwa 1/3 der online verfügbaren Kurse ausmacht. Den Preis hätte ich bestimmt auch noch runterhandeln können, aber ich habe es am Ende nicht gemacht. Für mich war es eine geniale Erfahrung, aber wer gerne mehr Anleitung haben möchte, ist mit buchbaren Kursen vielleicht besser aufgehoben. Eine Auswahl, teils in Kombination mit Ausflügen, findest du z.B. hier. Ansonsten ein guter Tipp: einfach im Hostel fragen – irgendwer kennt immer irgendwen. Oder du schreibst mir und ich leite dir den Kontakt von Khalid weiter.
Hast du im Urlaub schon mal Kreativworkshops gemacht und typisches Kunsthandwerk hergestellt?
- Wagrain-Kleinarl: eine Aktiv- und Genussreise im Zeichen der Umwelt - 12. September 2023
- Blühende Oststeiermark: Aktiv- und Genussurlaub im Garten Österreichs - 8. Mai 2022
- Bike & Hike Tour: E-Mountainbiken und Wandern im Montafon - 26. September 2020